Die Verlorenen

Das Werk “Die Verlorenen, Eine Suche nach sechs von sechs Millionen” von Daniel Mendelsohn ist zweifellos eines jener Bücher, die mich am nachhaltigsten, in diesem Fall auch auf eine schmerzhafte Art und Weise berührt haben. Ein Buch, geschrieben wie ein Roman, aber im Unterschied dazu blanke Realität. Einerseits ist da der Autor und seine wechselnden Begleitpersonen, die auf der Suche nach einer im Holocaust ermordeten jüdischen Familie jahrelang unterwegs sind, um die Wahrheit hinter der grausigen Realität zu finden. Diese umständliche Suche anfangs der 2000er Jahre alterniert jedoch laufend mit den Berichten von Augenzeugen und Zeitgenossen jener Familie, welche uns zurückführen in die Jahre 1939 bis 1945, dem Höhepunkt der Judenvernichtung. Andererseits ist da aber auch eine präzise und einfühlsame Sprache, die gleichzeitig schonungslos und brutal offen die Vergangenheit zum Leben erweckt. Als Geschichtslehrer habe ich zahlreiche Dokumente und Spielfilme über jene Zeit gelesen und gesehen, aber was uns Mendelsohn in diesem Werk miterleben lässt, überbietet all dies. Es ist wie ein kunstvoll geknüpfter Teppich mit zahllosen Mustern, die sich uns wie auch dem Autor erst beim genauen Hinsehen erschliessen. Keine Kost für zarte Nerven – aber umso wichtiger, dass sich wir heutige Menschen uns in der heutigen globalen Situation an jene grässlichen Zeiten erinnern – auch wenn es schmerzt … gerade weil es schmerzt!

Daniel Mendelsohn, Die Verlorenen, Eine Suche nach sechs von sechs Millionen,
Deutsche Erstauflage 2021, Pantheon Verlag, 631 Seiten
Originalausgabe 2006: The Lost, A Search for Six of Six Million, HarperCollins, New York

Peter Joos

19. Oktober 2022

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