Was Jordan B. Peterson in seinem umfangreichen Werk mit den 12 Regeln für ein gutes Leben (das in etwa die Übersetzung) erläutert und erklärt, ist alles andere als ein weiteres Buch zum Thema Lebenshilfe. Auch wenn viele Ratschläge an die alte Schule erinnern, so gelingt es dem Autor, seine Thesen mit seiner grossen Erfahrung als Psychoanalytiker zu verbinden und uns seine Regeln mit unzähligen Beispiele aus seinem beruflichen Alltag verständlich zu machen. Dabei geht er immer wieder in die Tiefe, verharrt nicht im äusseren Schein und geht mit der Laisser-faire-Pädagogik der 68er-Jahre hart ins Gericht.
Das ist für mich als Leser mit Jahrgang 1950 nicht immer einfach, denn was gab es damals nichts Besseres, als alles Alte auf den Müllhaufen der Geschichte zu kippen. Selbstverwirklichung wurde zum Schlagwort für die nachfolgenden Generationen, im heutigen Pädagogikslang auch Individualismus genannt. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass der Einzelne ohne die Familie, die Gruppe, ein soziales Gefüge wie ein Dorf oder eine Stadt bzw. den Staat nicht überlebensfähig ist. Wir überschätzen unsere eigenen Überlebensfähigkeiten, auch wenn wir sie in einem Survival-Camp trainieren und anwenden. Im normalen Alltag sind andere, wichtigere Fähigkeiten gefragt wie Empathie, Engagement, Ausdauer, Kreativität und Loyalität. Diese menschlichen Fähigkeiten sind nicht einfach angeboren, sondern müssen während der Erziehung erworben werden, am besten schon in der Familie, später in der Schule und im Berufsleben.
Peterson Buch liest sich spannend wie ein Roman. Seine Denkmuster sind dabei klar und konsequent und gehen manchmal bis an die Schmerzgrenze. Seine Sprache ist gut verständlich, was nicht selbstverständlich ist. Wer sich nicht scheut, seine Lebensgewohnheiten und -ansichten – auch im fortgeschrittenen Alter – zu überdenken, dem sei dieses Werk herzlich empfohlen.
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