Der neuste Roman von Zeruya Shalev ist keine leichte Kost – weder inhaltlich noch sprachlich. Aber die Lektüre lohnt sich trotzdem sehr, wenn man die Kraft und die Ausdauer aufbringt, dran zu bleiben und die Geschichte in relativ kurzer Zeit zu lesen. Es geht zunächst einmal um zwei jüdische Frauen unterschiedlicher Generationen, welche im heutigen Israel eine schwierige Beziehung knüpfen, die weit in die Vergangenheit zurückreicht, d.h. bis in die Gründungszeit des jüdischen Staates im Jahre 1948. Es geht aber auch um deren Familien, die im Begriff sind auseinanderzufallen. Die Jungen fliegen aus, Scheidungen und Todesfälle tragen das ihre dazu bei. Und auch der Leserin bzw. dem Leser stellt sich die Frage: Was eigentlich ist Schicksal?
Für mich fasst ein Satz in der Mitte des Buches die Antworten auf diese Frage zusammen: “Bei keiner Wahl, die wir treffen, verstehen wir bis ins Letzte, was sie für uns bedeutet.” Mit anderen Worten: Das Schicksal ist jener Teil unseres Lebens, den wir weder steuern noch kontrollieren können. Oftmals verstehen wir bestimmte Ereignisse in unserem Leben erst in der Retrospektive. Wenn wir zurückschauen, wird erst klar, was das Schicksal mit uns angestellt hat und wohin uns die eine oder andere Wahl geführt hat. Vielleicht ist das Schicksal auch jener Teil des Lebensplans, den wir als Wesen unseres Schöpfers erfüllen müssen? Jedenfalls empfehle ich den Roman all jenen, die neben einer äusseren Handlung das Innenleben der Protagonisten beobachten und schätzen und sich auch von der 400 Seiten starken Erzählung nicht abschrecken lassen.
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