Bei all den traurigen und verstörenden Nachrichten aus dem Nahen Osten braucht es zwischendurch kleine heitere Momente, in denen man die Tragik unserer Gegenwart für kurze Zeit vergessen kann. Und was gibt es besseres als ein Buch, das einen von Anfang bis zum Schluss in seinem Sog mitreisst? Meine derzeitige Buchempfehlung betrifft einmal mehr ein Roman von Charles Lewinsky, der immer wieder überzeugt mit einer kohärenten Geschichte sowie einer höchst sublimen und kunstvollen Sprache. Da er sich auf Goethes Spuren begibt, legt er natürlich auch die Latte entsprechend hoch. Aber es ist ein Genuss, seinen Gedanken zu folgen und die Komik der Handlung wahrzunehmen. Goethe kämpft nämlich seit seiner Schweizer Reise an einer Schreibblockade. Niemand scheint ihn davon heilen zu können. Er ist verzweifelt und lässt dies seine Nächsten auch spüren, vor allem seine Gemahlin Christiane braucht viel Geduld mit ihrem verzweifelten und aufbrausenden Ehemann. Sohn August ist ebenfalls eine der Hauptfiguren der Geschichte, aber den grossen Gegenpart verkörpert Christianes Bruder Christian August Vulpius, Goethes Schwager. Als Vielschreiber von Trivialliteratur kennt er keine Schreibblockaden, sondern schreibt, was ihm gerade durch den Kopf geht. In Goethes Augen ist er deshalb auch keine richtiger Dichter, sondern bestenfalls Bibliothekar oder Buchhalter. Genial, wie es Lewinsky nun versteht, die beiden Schreiber in eine höchst amüsante Verbindung zu bringen, indem er aus den beiden Kontrahenten zwei voneinander anhängige Mitglieder der besseren Gesellschaft werden lässt. Schliesslich profitieren beide vom jeweils anderen, und zwar auf eine Art und Weise, die uns schmunzeln lässt.
Zu meinem persönlichen Vergnügen gehört, dass ich vor mehr als 50 Jahren meine erste Proseminar-Arbeit in Germanistik zum Roman “Rinaldo Rinaldini” von Vulpius schrieb und ich mich aus diesem Grund an Lewinskys Roman “Rauch und Schall” besonders ergötzt habe. Es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen, und so beschert es uns in diesen kalten und schweren Tagen etwas Abstand zum Alltag. Es wäre Charles Lewinsky zu gönnen, nach mehreren Anläufen auch einmal den Schweizer oder Deutschen Buchpreis zu gewinnen. Seine Werke sind etwas vom Feinsten, was deutsche Literatur in der heutigen Zeit zu bieten hat.
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