Tag der Muttersprache

Wenn wir am heutigen 21. Februar den “Internationalen Tag der Muttersprache” feiern, sollten wir uns dazu einige Gedanken machen, denn hinter dem Wort “Muttersprache” steckt mehr als man denkt. Auf den ersten Blick handelt es sich natürlich um jene Sprache, die eine Mutter ihrem Kind mitgibt, die allererste Sprache, die ein Baby zu hören bekommt. Wir gehen auch davon aus, dass es sich bei der Muttersprache um jene Sprache handelt, die wir im Jugend- und Erwachsenenalter in Wort und Schrift am besten beherrschen. Die Realität sieht in der heutigen Welt jedoch oft anders aus. Allein die Tatsache, dass die UNESCO diesen Tag im Jahr 2000 ins Leben gerufen hat, gibt zu Sorge Anlass, denn rund die Hälfte aller weltweit gesprochenen Sprachen sind vom Aussterben bedroht. Ausserdem sind eine grosse Anzahl Menschen aufgrund ihrer familiären Konstellation oder von staatlichen Strukturen zwei- oder mehrsprachig. Das gleichzeitige Erlernen mehrerer Sprachen kann also eine direkte Vernachlässigung der Muttersprache zur Folge haben. Jahrzehntelang kämpften Behörden und Pädagogen gegen indigene Muttersprachen und hatten zum Ziel, jene durch ihre eigene Hochsprache zu ersetzen. Dadurch kam es für die betroffenen Völker in der Regel nicht nur zu einem Sprach-, sondern auch zu einem Kulturverlust. Beispiele aus kolonialer Zeit in Amerika, Afrika und Asien gibt es zur Genüge.

Welche Bedeutung hat die Muttersprache in der heutigen Zeit? Es muss die Aufgabe einer Gesellschaft und ihrer Institutionen (Behörden, Schulen usw.) bleiben, die Muttersprachen ihrer Bevölkerung zu schützen und notfalls zu fördern. Gerade in Zeiten einer ungebremsten Migration ist es wichtig, dass die betroffenen Menschen ihre Sprache und damit ihre Kultur nicht verlieren. Selbstverständlich sollen sie sich an ihrem neuen Wohnort auch integrieren und eine der lokalen Sprachen erlernen, was mit der Integration in die neue Kultur einhergeht. Gerade die Reflexion über die Unterschiede zwischen Sprachen und Kulturen bringt uns jedoch weiter und fördert auch die Toleranz und das gegenseitige Verständnis. Wenn ich ein Bild zeichnen müsste, dann wäre dies das eines Baumes: Die Muttersprache bildet die Wurzeln, aus denen jederzeit weitere Sprachen herauswachsen und gedeihen können, eigentlich je früher, desto besser. Wer seine Muttersprache pflegt, geht normalerweise auch mit dem Erlernen weiterer Sprachen bewusst um. Wer sie jedoch vernachlässigt oder verlernt, wird sich kaum erfolgreich weitere Fremdsprachen aneignen können.

Bildquelle: Kurdische Gemeinde Deutschland

Peter Joos

21. Februar 2024

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