Angesicht der schrecklichen geopolitischen Ereignisse im Nahen Osten (Israel) und der Ukraine sind unsere BR-Wahlen vom 13. Dezember geradezu ein Schaulaufen auf hochalpinem Niveau. Während im Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie zwischen der Israelischen Armee und der Hamas im Gazastreifen Menschen jeglichen Alters sterben, bereiten wir uns auf eine von den Parteien sorgsam vorbereitete Politshow vor, welche als Ergebnis unsere siebenköpfige Landesregierung für die kommenden vier Jahre zum Ziel hat. Dabei sollten wie immer gewisse Vorgaben eingehalten werden: Das Verhältnis der Sprachregionen, der Kantone sowie von Mann und Frau stehen dabei an vorderster Stelle. Auch das Alter der Kandidatinnen und Kandidaten kann eine Rolle spielen (gilt nicht für den US-Wahlkampf!). Und natürlich steht auch die Zauberformel (2-2-2-1) auf dem Spiel – dieses Jahr vielleicht mehr denn je!
Da ich nicht Mitglied der Bundesversammlung bin, steht es mir nicht zu, an dieser Stelle mein Wunschgremium zu publizieren, wenn ich denn eins hätte. Wichtiger scheint mir, die Kräfteverhältnisse der Parteien nach den Wahlen vom Oktober zu berücksichtigen, damit die neue Regierung möglichst viele Menschen in unserem Land abbilden kann. Mit der derzeitigen Formel sind es bloss rund 80 Prozent, rund ein Fünftel der Stimmbevölkerung ist nicht vertreten. Vor allem die grünen Parteien (Grüne und GLP) gehen trotz 37 Parlamentsmandaten leer aus – bisher. Auf den vorderen vier Rängen hingegen bleibt alles beim Alten – könnte man meinen, aber da bin ich mir gar nicht so sicher. Die je zwei Sitze für die SVP und die SP gehen arithmetisch in Ordnung, denn sie stellen mit 68 und 50 Parlamentsabgeordneten die grössten Fraktionen. Doch beim Platz drei hat die Mitte (CVP) die FDP überholt, und zwar mit 44 gegenüber 39 Sitzen. Sowohl im NR als auch im StR hat also die Mitte die Nase vorne. Gemäss Zauberformel stünden nunmehr der Mitte zwei BR-Sitze zu, die FDP müsste sich mit einem zufrieden geben, obwohl weder Karin Keller-Sutter noch Ignazio Cassis an Rücktritt denken. Die einzige offizielle Lücke hinterlässt Alain Berset, doch für ihn präsentiert die SP ein Zweiterticket mit Beat Jans und Jon Pult. Wenn also alles glatt und reibungslos verläuft, wird es eine klare Angelegenheit werden. Es sei denn. …
Nehmen wir an, in der Bundesversammlung entwickle sich bis zur Wahl (und vielleicht auch noch während der einzelnen Wahlgänge) eine Dynamik, die heute noch nicht vorhersehbar ist. Damit äussere ich nun auch zwangsläufig ein Misstrauen gegenüber allen Prophezeiungen von links bis rechts, man wolle sich an die «Regeln» halten. Nur stehen diese nicht in unserer Verfassung, so dass es legitim erscheint, sich mindestens einige Gedankenspiele zu machen. Während die SVP ihre Bisherigen als wählerstärkste Partei durchbringen wird, könnte die SP im letzten der sieben Wahlgänge auf heissen Kohlen sitzen müssen. Je nachdem wie die Wahlen 1 – 6 verlaufen sind, lässt der letzte Wahlgang Spekulationen zu. Im schlimmsten Fall könnte eine bürgerliche Mehrheit im Parlament der SP erneut sagen, wo’s lang geht. D.h. Baume-Schneider, die sich mit dem Migrationsproblem schwertut und sich eine 12-Mio-Schweiz vorstellen kann, wird abgewählt und das SP-Zweierticket nicht berücksichtigt. Die beiden neuen SP-Bundesräte würden Daniel Jositsch und Evi Allemann heissen, was eine politisch korrekte Lösung wäre: Mann + Frau, alt + jung, ZH + BE. Beide haben Exekutiverfahrung, wurden von ihrer Partei jedoch schon einmal übergangen. Aber immerhin würde die SP so ihre zwei Sitze behalten können …
Schlimmer könnte es für die FDP kommen … Stellen wir uns vor, eine Mehrheit im Parlament ist mit Cassis’ Arbeit unzufrieden, der sich mit der EU schwertut und auch aussenpolitisch immer wieder nicht nachvollziehbare Entscheidungen trifft. Die Chance, einen Wechsel zu vollziehen, wäre günstig. Die Grünen steigen mit Gerhard Andrey ins Rennen und greifen explizit einen FDP-Sitz an. Aber sie bräuchten die Unterstützung von bürgerlicher Seite, und das ist eher unwahrscheinlich. Hier kommt die Mitte ins Spiel, die zwar keine Kampfwahl angekündigt hat – im Gegenteil. Man wolle die Wahlen 2027 abwarten. Verlorene Zeit, meines Erachtens, denn die FDP ist angezählt. Ohne Namen zu nennen, behaupte ich, dass die Mitte über einige hochkarätige Politikerinnen und Politiker verfügt, die ein Bundesratsamt zu stemmen vermögen. Ob sie jedoch wollen bzw. ob ihr Präsident Gerhard Pfister es zulassen würde, steht in den Sternen bzw. im Konjunktiv!
So wird ersichtlich, dass wir statt einer langweiligen Gesamterneuerungswahl des Bundesrats durchaus eine attraktive und spannende Ausmarchung erleben könnten. Ob den Abgeordneten der Mut für solche Gedankenspiele fehlt, glaube ich kaum. Aber ob sie am 13. Dezember dann auch wirklich zur Tat schreiten werden, wage ich doch zu bezweifeln!
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