Als ich am Morgen schweissgebadet erwachte, war es halb sieben. Die Aussentemperatur schätzte ich auf mindestens 30 Grad, die Luftfeuchtigkeit betrug gefühlte 180%. Das Ende einer Tropennacht in Rio de Janeiro war aber nur der Beginn eines Hitzetages, der diesen Namen auch verdiente. Ich arbeitet damals als Lehrer an der Schweizerschule und es war Mitte Dezember, kurz vor Schulschluss, Sommeranfang auf der südlichen Halbkugel.
Der Schulunterricht begann um halb acht, höchste Zeit für eine erfrischende Dusche, eine Tasse kalte Milch. Los ging es zu Fuss etwa einen Kilometer zur Arbeit. Am Anfang der Lektion stand ich vor der Klasse und spürte, wie mir der Schweiss über den Rücken rannte. Das Hemd klebte mir am Leib. Die Schülerinnen und Schüler lagen müde auf ihren Pulten nach ihren teils langen Anfahrten. Die Klassenzimmer verfügten über keine Klimaanlage. Öffnete man die Fenster, hatte man das Gefühl vor einem heissen Föhn zu stehen. Behielt man sie geschlossen, befand man sich in kürzester Zeit in einer finnischen Sauna. Es gab kein Entkommen.
Vier Lektionen standen an, um elf Uhr dreissig war Mittagspause. Mein Hemd war schweissdurchtränkt. Ich machte mich auf den Heimweg, um zu duschen. Ich zog mir ein neues Shirt über und verdrückte einen Snack. Um halb eins ging die Schule weiter bis um halb vier. Noch einmal vier Lektionen unter den gleichen Bedingungen. Während sich die Schülerinnen und Schüler nach Schulschluss auf ihren Heimweg machten, bereitete ich im überhitzten Lehrerzimmer bei einer Aussentemperatur von inzwischen 40 Grad die morgigen Lektionen vor.
Anschliessend ging es nach Hause unter die Dusche. Ein neues Hemd war nicht nötig, eine kurze Hose reichte vollauf. Die Lust auf Hausarbeit war nicht mehr gross. Zum Glück war es in der Wohnung auf einem Hügelzug bei der abendlichen Meeresbrise etwas kühler als draussen – aber ich schwitzte trotzdem vor mich hin. Nach einem leichten Abendessen setzte ich mich vor den Fernseher. Alle Fenster standen weit offen, um dem Abendwind eine Chance auf Abkühlung zu geben. Doch die Wärme hatte sich schon seit Tagen im Gemäuer festgesetzt. Sie hielt einen umschlungen wie eine Boa Constrictor.
In den Tropen wird es von einem Augenblick zum andern dunkel. Aber auch die Nacht bringt keine Erleichterung. Vor dem Schlafengehen begab ich mich bereits zum vierten Mal unter die Dusche. Das Wasser aus dem Wassertank, der sich auf dem Dach befand, war inzwischen mehr lauwarm als erfrischend. Trotzdem eine Wohltat für Körper und Geist.
Um zwei Uhr morgens wachte ich auf. Vor dem Haus war es laut. Einige Menschen schrien sich etwas zu. Dann hörte ich nur noch vertraute Geräusche, vor allem das Zirpen der Zikaden, was gelegentlich wie Motorenlärm tönt. Ich stand auf und ging zum Kühlschrank. Eine wohlige Kälte erfasste mich und ich löschte meinen Durst mit ein paar Schlucken Guaranà. Anschliessend stand ich an jenem Tag zum fünften Mal unter der Dusche. Die Abkühlung hielt bis am nächsten Morgen, als ich um halb sieben schweissgebadet erwachte.
Die Moral der Geschichte: Ein Schweizer Hitzetag mit über 30 Grad hat nichts, absolut nichts mit einem richtigen Hitzetag in den Tropen zu tun.
0 Kommentare