Medien und Konflikte

Es fällt schon auf, wie zeitnah heute die Medien über Konflikte berichten können, wo es früher viel mehr Aufwand kostete, einen gut recherchierten Bericht oder eine fundierte Reportage abzufassen – meistens mit mehreren Tagen Verspätung gegenüber dem aktuellen Geschehen. Heute können wir sozusagen live verfolgen, was sich in der Welt ereignet, und die Medien geben uns gleichzeitig auch noch die Denkanleitung für ihre Nachrichten. Nicht selten werden auch verlässliche Quellen zitiert oder geleakt, um gleich noch zukünftige Ereignisse vorwegzunehmen, um die News-Konsumenten bei der Stange zu halten. Leider entsprechen die so verbreiteten Informationen selten den wahren Verhältnissen vor Ort, sondern sie dienen einem gezielten Infotainment, d.h. einer Unterhaltung durch Nachrichten. Dadurch wird der Wert und die Nachhaltigkeit von Nachrichten auf deren Unterhaltungswert reduziert – ein Phänomen, dass inzwischen alle Medien verseucht hat, denn in einer globalen Medienwelt sind die einzelnen Beiträge untereinander verbunden und bedingen einander auch entsprechend.

So auch im jüngsten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. In den westlichen Medien wird dabei der Aufmarsch russischer Truppenverbände an der Ostgrenze der Ukraine als Aggression verurteilt und Putin als “russischer Zar” für seine Machtpolitik vorverurteilt. Natürlich geht es in diesem Fall um strategische Interessen im Sinne von Machtpolitik, aber ein russischer Angriff auf die Ukraine ist nicht das Ziel der russischen Bemühungen. Viel eher lässt der Westen der russischen Grossmacht keine andere Möglichkeit, um gegenüber einer (geplanten?) Osterweiterung der NATO zu reagieren. Was Russland eigentlich verlangt, ist nämlich durchaus legitim: ein Ende der Osterweiterung der NATO, nachdem das nordatlantische Verteidigungsbündnis in den vergangenen Jahren schrittweise eine ganze Reihe ehemaliger Warschaupakt-Staaten in die NATO integriert und dort auch gleich Defensivwaffen (Raketenabwehrsysteme) installiert hat. Das löst bei Putin natürlich Kopfschmerzen aus, vor allem, wenn nun auch noch der (ohnehin umkämpften) Ukraine Avancen von Seiten der NATO gemacht werden. An vorderster Front die USA mit Präsident Joe Biden, unter dessen Regierung wider Erwarten die Welt kein bisschen sicherer geworden ist. Der alte Mann in Washington verhält sich in den derzeitigen Krisen höchst widersprüchlich und heizt die Situation hüben und drüben eher noch an. Zwischen Russland und den USA stehen wir Europäer und möchten es (einfach gesagt) beiden Seiten recht machen.

Deshalb fliegt Scholz zu Biden und Macron zu Putin, um für einen Ausgleich zu sorgen. Eine an und für sich gute Idee, nur dass Europa von beiden Grossmächten in vielen Bereichen abhängig ist und deshalb weder für die eine noch für die andere Seite Partei ergreifen kann. Diese wirtschaftspolitischen Hintergründe werden momentan von den Medien fast völlig ausgeblendet, weil der Fokus auf die militärische Situation einfacher und besser verkauft werden kann. Aus diesem Grund möchte ich euch auf einen Podcast aufmerksam machen, in dem Michael Lüders (Autor von “Die scheinheilige Supermacht”, “Wer den Wind sät” und “Die den Sturm ernten” u.a.m.) die komplizierte Situation sachlich und kompetent erklärt. In rund 30 Minuten erfährt man alles, um sich von diesem Konflikt ein eigenes Bild zu machen und so auch die täglichen News-Meldungen korrekt einzuordnen. Sehr empfehlenswert!

https://www.youtube.com/watch?v=-WAZ8UfGy3s

Peter Joos

8. Februar 2022

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