Heute in genau drei Wochen wissen wir Bescheid, wie das Schweizer Volk entschieden haben wird. Höchste Zeit, um einen Blick auf die letzte der drei Vorlagen zu werfen: das Verhüllungsverbot. Ich habe mir die Argumente der Befürworter wie auch der Gegner angeschaut und denke, es gibt auf beiden Seiten nachvollziehbare Gründe für ein JA oder ein NEIN. Wo also setzen wir an, um uns zu einer eigenen Meinung bzw. Haltung zu einer Vorlage durchzuringen? Wenn wir leer einlegen, überlassen wir es den anderen zu entscheiden. Das möchte ich gar auf keinen Fall.
Wichtig scheint mir, die Absender einer Initiative oder eines Referendums jeweils in Betracht zu ziehen. Das Egerkinger Komitee ist nun wirklich eine bekannte politische Bewegung, die auf der Basis der SVP und anderer rechter Parteien und Gruppierungen aktiv ist. Dies sollte aber nicht matchentscheidend sein, sondern die Inhalte eines Vorstosses sollten im Vordergrund stehen. In diesem Fall geht es um Vorschriften bzw. Verbote. Das Verbot der Verhüllung v.a. des Gesichts im öffentlichen Raum bildet den Zankapfel, um den es hier geht. Eine Vermummung oder Verhüllung kann verschiedene Ursachen haben: kulturelle, traditionelle, gesundheitliche, sicherheitsbedingte, persönliche u.a.m. Bei diesem Artikel, der neu in unsere Bundesverfassung eingefügt werden soll, geht es aber in erster Linie um den kulturellen Aspekt. Wenn eine Kultur ein Gebot erlässt, dass sich Frauen im öffenltichen Raum verhüllen müssen, steht dies im krassem Widerspruch zu unserer (manchmal allzu) freiheitlichen Gesellschaftsordnung, wo jede und jeder tun und lassen kann, was er will. Oder nicht?
Toleranz ist, wenn man alle gewähren lässt, was immer ihnen beliebt! Ist dies tatsächlich genau dies, was unsere Gesellschaft tolerieren = ertragen kann bzw. will? Wieviel wollen wir noch ertragen, bis es eines Tages dann zu viel ist? Wo sind die Grenzen der Toleranz? Sagen wir einfach aus Bequemlichkeit JA zu allem und jedem oder ziehen wir eine Linie, um unsere Kultur mit ihren Werten und Geboten zu schützen? Natürlich wird sich bei einem JA zur Initiative nicht viel ändern, aber jede Abstimmung ist auch ein Zeichen, das von uns selbst und dem Ausland zur Kenntnis genommen wird.
Mit Blick auf England und Frankreich, wo sich in den letzten Jahrzehnten aufgrund ihrer kolonialen Vergangenheit Parallelgesellschaften ausgebildet haben, sollten wir auch eine längerfristige Entwicklung im Auge behalten. Sagen wir JA zu Verhüllungen aus religiösen Gründen, kann uns nichts davon abhalten, auch JA zu weiteren Geboten einer fremden Kultur zu sagen. Aus diesem Grund macht der Slogan “Wehret den Anfängen” die Runde.
Nun denn, was bedeutet all dies für unseren Entscheid? Wir sollten bei jeder Vorlage die langfristigen Auswirkungen beachten und nicht nur aus einer Laune oder aus Bequemlichkeit JA oder NEIN stimmen. Die Argumente der Parteien helfen uns, unsere Position zu beziehen, und in diesem Fall schliesse ich mich bewusst dem JA-Lager an, auch wenn dies für die NEIN-Stimmenden vielleicht nur schwer verständlich scheint.
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