Nach der 5. Parlamentswahl innerhalb von 3 1/2 Jahren sieht es auf den ersten Blick aus, als könnte Benjamin Netanyahu mit seiner Mitte-Rechts-Koalition und insgesamt 65 von 120 Sitzen in der Knesset eine stabile Regierung bilden. Das Resultat ist doch einigermassen überraschend, denn die (westlichen) Medien haben einen sehr knappen Wahlausgang vorhergesagt, auch wenn dies nur bedingt stimmte. Dass die ehemalige Regierungskoalition bestehend aus 8 verschiedenen Parteien Mitte Jahr zerbrochen ist, war kein Thema mehr, obwohl die unterschiedlichen Gruppierungen sehr verschiedene Interessen vertraten. Man war sich jedoch einig, dass sie untereinander vor allem durch eine Anti-Netanyahu-Haltung verbunden waren, nachdem der vormalige PM in drei Korruptionsaffären vor Gericht zitiert wurde. Diese kurzfristigen und kurzsichtigen Betrachtungsweisen werden der Galionsfigur der Likudpartei jedoch in keiner Art und Weise gerecht. Unter ihm kam das Land nach jahrelangem Leiden unter terroristischen Angriffen endlich wieder zur Ruhe und auch der wirtschaftliche Aufschwung mit zahllosen Start-ups sowie wirtschaftlichen Beziehungen zu traditionell feindlichen Nachbarstaaten wurden möglich. Netanyahu ist israelisches Urgestein der besonderen Art. Sein 50-jähriges Engagement für sein Land Israel verdient eine umfassendere Betrachtungsweise und eine grössere Wertschätzung, als was die oberflächlichen täglichen News zu liefern vermögen. Kürzlich habe ich eine Biografie über David Ben Gurion gelesen, und da sind mir zahlreiche Parallelen zwischen den beiden Vollblutpolitikern aufgefallen. Auch Ben Gurion wurde oft angegriffen, abgeschrieben, er trat zurück, um im nächsten Augenblick wieder auf die Politikbühne zurückzukehren. Freunde wurden zu Gegner und umgekehrt. Insofern ist die Rückkehr von “Bibi” kein Sonderfall, sondern die logische Konsequenz der vergangenen Jahre. Seine Koalition wird einen sehr konservativen Kurs fahren, das ist klar, aber wenn die Mehrheit der Israelis sich eingesteht und einsieht, worin die Vorteile dieses Kurses liegen, dann wird sich eine Regierung unter Netanyahu über längere Zeit halten können. Seine Erfahrungen und die internationale Akzeptanz sind eine gute Grundlage, um das Land aus der langjährigen Isolation zu führen. Der Westen ist dabei nicht immer hilfreich mit seiner Unterstützung von UNO-Resolutionen, die sich einseitig gegen Israel richten. Die USA sind zwar auch treue Verbündete Israels, aber sie stellen in der Regel ihre eigenen Interessen vorne an, ganz im Sinne von “America first”. Als Schweiz sollten wir uns unbedingt ab und zu ein Vorbild an Israel nehmen, auch wenn wir von freundlicheren Nachbar umgeben sind. Unser Verhältnis zur EU ist schwierig und herausfordernd, ja, aber nicht zu vergleichen mit dem jahrzehntelangen Überlebenskampf Israels inmitten arabischer Staaten. Wir sind ein autonomer Staat und dürfen unsere Unabhängigkeit niemals aufgeben. Wir würden uns damit nur die Hände binden und uns von den grossen europäischen Playern abhängig machen (s. Energiekrise und Ukraine-Krieg). Dabei sollten wir uns auf unsere bewaffnete Neutralität berufen und unsere vielfältigen Dienste dort anbieten, wo sie auch gefragt und nutzbringend sind.
Israel hat gewählt

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