“Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.” So könnte man den vergeblichen Versuch westlicher Mächte – allen voran der USA – bezeichnen, aus Afghanistan einen demokratischen Staat zu bilden. Nach rund 20 Jahren militärischer Präsenz ziehen sich die ausländischen Akteure zurück und überlassen das Land ihrem Schicksal. Nun zeigt sich, dass sich die vom Westen angestrebte Lösung innerhalb von wenigen Wochen in Luft aufgelöst hat. Den Taliban haben die afghanischen Truppen aus unterschiedlichen Gründen nichts entgegenzusetzen. Teile der Bevölkerung versuchen, sich dem drohenden islamistischen Regime durch Flucht zu entziehen.
Manche Medien schreiben die Niederlage genüsslich einer überkommenen westlichen Kolonialpolitik zu. Das ist zu kurzsichtig gedacht. Immerhin hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine soziale Kultur entwickelt, die vor allem für die Frauen sehr positive Auswirkungen hat. Ausserdem wurden Wahlen abgehalten und ein blutiger Bürgerkrieg weitgehend vermieden. Nur – was wird von all dem bleiben, jetzt, wo die Taliban die Hauptstadt Kabul eingenommen haben?
Man wird erst in den kommenden Wochen erfahren, ob das oben zitierte Sprichwort nicht anders herum verstanden werden muss, denn für die Bevölkerung könnte sich mit der Machtübernahme durch die Taliban “ein Schrecken ohne Ende” installieren, welcher an frühere Zeiten erinnern würde. So verständlich es ist, dass sich der Westen nach 20 Jahren aus Afghanistan zurückzieht, so offensichtlich ist es, dass andere Mächte wie China, Russland, der Iran oder auch Pakistan ihre Einflussnahme in jener Region verstärken werden. Vielleicht weniger mit militärischen als mit ökonomischen Mitteln. Aber dadurch bestünde zumindest die Chance, dass sich das Land mit ausländischen Investitionen friedlicher weiterentwickeln könnte, als wir dies zum heutigen Zeitpunkt vermuten. “Die Hoffnung stirbt zuletzt” wäre somit die Redewendung, die wir uns augenblicklich für Afghanistan und seine Bevölkerung wünschen müssten.
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