Während andere Frauen im Alter von Nancy Pelosi (Jg. 1940) in einem Heim sitzen und die Zeit totschlagen, jettet die Vorsitzende des Repräsentantenhauses um die Welt und macht unter anderem Halt in Taipeh, der Hauptstadt Taiwans. Lange blieb ihr Abstecher in diese spannungsgeladene Region unklar – die Vorzeichen für einen Besuch in der von China abtrünnigen “Provinz” standen denkbar schlecht. Nun hat es die alte Dame mit ihrer Entourage aber trotzdem vorgezogen, Taiwan die Unterstützung der USA auch weiterhin zu versprechen. Was diese Worte wert sind, wird sich erst noch zeigen. Fürs erste aber bilden sie eine unerhörte Provokation auf dem diplomatischen Parkett zwischen Amerika und China. Bereits hat sich auch Russland gegen diesen umstrittenen Besuch geäussert, andere werden folgen. Die meisten werden sich jedoch ruhig verhalten und das Säbelrasseln einmal mehr über sich ergehen lassen. Meiner Ansicht nach ist dieser inoffizielle Besuch Pelosis eine diplomatisch dumme Geste, die jeglicher konkreten politischen Inhalte entbehrt. Es gibt kein offizielles Protokoll und die Ego-Reise verkommt zu einer PR-Show, wie sie nur die Amis lieben. Auch Donald Trump hat mit ähnlichen Besuchen z.B. in Nordkorea die politische Agenda mit solchen Staaten keinen Schritt weitergebracht.
Wenn man nun vereinfacht gesagt und gedacht die Welt in zwei neue Blöcke aufteilt und Demokratien gegen Autokratien ausspielen will, entspricht dies einem weltfremden Denken, welches im letzten Jahrhundert bzw. im Kalten Krieg feststecken blieb. Nicht nur die Grossmächte Russland, China, Indien u.a.m. haben sich seither entwickelt, sondern auch zahlreiche mittlere und kleine Länder positionieren sich heute anders als vor 50 Jahren. Sie suchen die Nähe zu Staaten, die ihnen vorurteilsfrei und offen begegnen. Natürlich stehen dabei die jeweiligen Interessen im Vordergrund – aber tun sie dies gerade jetzt nicht auch in Europa? Und ist das geopolitische Gehabe der USA nicht auch in erster Linie von ihren Eigeninteressen geprägt? Schon vor dem Ukrainekrieg habe ich auf die Gefahr einer Fehleinschätzung der Weltlage durch Europa und die USA gewarnt. Wir sind gerade dabei, uns vom Resten der Welt zu isolieren, also auch von jenen Staaten, die blockfrei und mehr oder weniger neutral sind.
Es ist dringend nötig, solche Provokationen wie jene von Pelosi zu unterlassen und mit einer aktiven friedlichen Diplomatie und Politik die unterschiedlichen Spannungsfelder zu bearbeiten. Solange der Westen glaubt, der Weisheit letzter Schluss zu sein, bleibt es brandgefährlich auf der ganzen Welt. Oder gibt es nicht genug Baustellen vor den Türen Europas und der USA, die einer Lösung harren? Migration, Einwanderungswellen, soziale Spannungen (reich-arm), drohende Energielücken, Umweltprobleme, Drogenkartelle, Versorgungsengpässe, Pandemie bedingte (medizinische) Herausforderungen usw.? Statt der medienwirksamen Auftritte sollten unsere Politiker*innen diese dringenden Probleme konkret angehen und nicht sich selbst in den Mittelpunkt stellen. Sie sollten Diener*innen ihrer jeweiligen Staaten sein und sich für ein friedliches Miteinander der Nationen einsetzen.
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