Dass die Täter-Opfer-Umkehr im Gazakrieg, ausgelöst durch den Hamas-Pogrom auf jüdische Siedlungen in Israel vom 7. Oktober, funktioniert und immer weitere Kreise zieht, war zu befürchten. Juden sind aufgrund einer 2000-jährigen Geschichte stets als Opfer wahrgenommen worden. In den Staaten und Regionen, in denen sie sich niederliessen, war es immer eine Akzeptanz auf Widerruf, d.h. solange die Gesellschaft profitierte, liess man Juden mehr oder weniger gewähren. Die jeweiligen Machthaber erliessen jedoch auch Gesetze, um jüdische Menschen zu isolieren (Berufsverbote/Beschneidung der Niederlassungsfreiheit). Die Konsequenzen aus dieser Haltung sind bekannt: Sie führen von Verfolgung über Vertreibung bis zur Vernichtung (Holocaust/Shoa). Erst seit der Gründung Israels im Jahre 1948 und in den darauffolgenden Jahrzehnten entwickelte sich das Volk der Juden zu einer wehrhaften und kampfbereiten Gesellschaft, die sich ihren antisemitischen Gegnern nicht mehr willenlos hingab. Und genau dieser Widerstand bis und mit Jom Kippur-Krieg stiess im Westen auf Verständnis und Beachtung. Auch wir Schweizer waren beeindruckt von der Wehrhaftigkeit dieses kleinen Landes inmitten feindlicher arabischen Staaten.
Erst danach gelang es einer Vielzahl islamischer Staaten über die UNO Einfluss zu nehmen auch auf die westlichen Länder, und Israel vom David zum Goliath in Nahost zu stilisieren. Plötzlich war alles ins Gegenteil verkehrt und die armen Palästinenser wurden zu den “wahren” Opfern gemacht. Israel wurde Staatsterror vorgeworfen und seine Anstrengungen zu einem friedlichen Mit- oder Nebeneinander wurden regelmässig torpediert – im wahrsten Sinne der Wortes. Mit Terroranschlägen und andauerndem Raketenbeschuss sollten der jüdische Staat und seine Bewohner mürbe gemacht werden. Die daraus resultierenden militärischen Gegenschläge der IDF und der Geheimdienste wurden anschliessend in den Medien weltweit gezielt als ungerechtfertigt und übertrieben darstellt. So auch heute wieder im Nachgang zum 7. Oktober. Dass jetzt auch der alte Mann in Washington einzuknicken droht, ist kein gutes Zeichen. Die USA, die jahrzehntelang einen Krieg gegen den Terror in Afghanistan geführt haben, setzen ein falsches Zeichen, das bestimmt auch von westlichen Ländern (EU) übernommen wird. Unter “felsenfest” und “unverbrüchlich” an der Seite Israels zu stehen, stelle ich mir etwas anderes vor.
Daraus ergibt sich die Frage, wie der aktuelle Konflikt in und um Gaza befriedet werden kann. Hier muss man die jüdische Seele verstehen, die aufgrund ihrer Geschichte weit über das Hier und Jetzt hinausreicht: “Wir lassen niemanden zurück!” Dieses Bekenntnis zu den Mitmenschen zeigt auf, wie tief die Verbundenheit in der jüdischen Gesellschaft ist. Es zeugt von Gemeinschaft, Solidarität und Nächstenliebe. Man ist bereit, sich für andere zu opfern. Im Westen der heutigen Zeit nicht unbedingt die oberste Maxime. Aber die Israelis haben diesen Grundsatz sozusagen mit der Muttermilch über Tausende von Jahren aufgesaugt. Insofern wird es auch keinen Waffenstillstand geben, solange die Hamas israelische Geiseln festhält. Die Hamas hat mit dem schrecklichen Überfall vom 7. Oktober einen Krieg begonnen, den sie nur mit der Freilassung aller Geiseln beenden kann. “Bring them home” ist kein politischer Slogan, den Studis in Ost und West auf den Strassen singen und zelebrieren. Es ist ein Grundsatz, der in der DNA des jüdischen Volks eingraviert ist und den es zuerst zu verstehen gilt. Erst dann kann ein Gespräch über Frieden stattfinden.
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